GedankenPlattform
Wednesday, 1. March 2006
Wüste der Gefälligkeiten

Mitbewohner Kalle hatte mich schon letzte Woche gebeten, den in der Mitte zerrissenen Fünfer bei der Bank umzutauschen. Ich stand dann also heute kurz vor sechs vor der Kasse der nahegelegenen Sparkasse.

"Moment noch." nuschelte mir die Angestellte mit gequältem Blick zu. "Geht glei los." Sie unterhielt sich weiter angestrengt mit ihrer Kollegin und klickte nebenbei gelangweilt in einer Eingabemaske umher. Nach zwei Minuten wechselte ich das Standbein und bewegte meinen Oberkörper leicht nach vorn um die Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. Endlich wandte sie sich mir zu.
"Den hätte ich gern umgetauscht." sagte ich deutlich und schob die zwei Teile des kaputten Scheines über den Tresen in ihre Richtung. Sie nickte und begann, das Ende eines Tesastreifens von der Rolle zu friemeln. "Kleben mer 'n erstmal." Ich fühlte mich wieder versöhnt und blickte ihr freundlich erwartungsvoll entgegen.
"Sie könn' de Karte schonmal hergeben." meinte sie plötzlich, immer noch am Klebestreifen fummelnd. "Ich möchte nichts einzahlen, Sie sollen den Schein bitte nur umtauschen."
"Ham Sie ein Konto bei uns?"
"Nein, ich möchte nur den Schein umtauschen lassen."
"Das geht nur, wenn Sie ein Konto bei uns haben." Sie legte den Tesastreifen beiseite und verglich die Nummern der beiden Geldscheinteile.
"Ich dachte, sowas gehört zum Service Ihrer Filiale?"
"Mir ham 'en Service hier, das is richtich. Aber nur wenn Se bei uns 'en Girokonto haben." Sie kämpfte erneut mit dem Klebeband. Inzwischen war schon eine Schere im Spiel.
Vielleicht wäre es jetzt Zeit gewesen, ihr zu mitzuteilen, daß das nur eine Gefälligkeit für einen befreundeten Kunden dieser Bank ist, oder daß sich die Filiale der Sparkasse bei der ich ein Konto führen lasse im Herzen Thüringens befinde und ich es wohl bis zum Feierabend nicht mehr dahin schaffen würde. Statt dessen erinnerte ich mich einer anderen Kunststoffkarte in meinem Portemonnaie, legte den Presseausweis auf den Tresen und sagte "Ich denke, in diesem Fall bin ich Kunde jeder Bank, Frau Urban." (Ich hatte zuvor einen flüchtigen Blick auf ihr Namensschild geworfen.)
"Natürlich Herr Raspunicum." Sie lächelte freundlich, legte Klebeband und zerrissenen Schein beiseite und legte einen Fünfeuroschein aus der Kasse auf den Tresen. "Auf Wiedersehen Herr Raspunicum."

Das Ende vom Lied? Ich werde den ganzen Abend darüber nachdenken, ob man ohne Druckmittel wohl keine Freundlichkeit mehr zu erwarten hat in disser Gesellschaft.

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